Unter Allergien versteht man eine klinisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, die auf eine immunologische Dysregulation und Sensibilisierung des Organismus gegenüber im Allgemeinen harmlosen Umweltantigenen (Allergenen) zurückgeht. Die klinische Manifestation ist abhängig von dem jeweils betroffenen Organ und imponiert entweder als ein allergischer Schnupfen, allergisches Asthma bronchiale, allergische Nesselsucht oder Schwellung der Schleimhäute, allergische Darmerkrankung mit Blähungen und Bauchschmerzen, eine Lungengewebeerkrankung (exogen allergische Alveolitis) oder auch eine akute lebensbedrohliche Reaktion (Anaphylaxie). Rund 30 Millionen Menschen leiden in Deutschland an allergischen Erkrankungen – Tendenz steigend (Weißbuch Allergie in Deutschland, Herausgeber: Klimek, Ludger, Vogelberg, Christian, Werfel, Thomas (Hrsg.)).

Bei etwa jedem dritten Menschen in Deutschland wird im Laufe des Lebens eine allergische Erkrankung festgestellt. Etwa 20 bis 25 % aller Kinder und Jugendlichen haben Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Menschen mit Allergien gestiegen. Derzeitig wird mit einem Allergikeranteil von 5-10% der Bevölkerung gerechnet. Ca. 8% der Erwachsenen und bis 6-9% aller Kinder haben Asthma. In der Erhebung "Gesundheit Erwachsener in Deutschland aktuell" (GEDA) wurden zwischen 2014 und 2015 insgesamt 23.342 Menschen nach Allergien befragt (J Health Monit 2017: 2: 1). Davon gaben 28,1% der Befragten an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten eine allergische Erkrankung hatten (außer Asthma). Hochgerechnet ist von etwa 12,3 Millionen Betroffenen in Deutschland auszugehen.

„Frauen sind danach von Allergien deutlich häufiger betroffen (31,6%) als Männer (24,5%). Auch gaben Erwachsene im jüngeren und mittleren Alter bis 65 Jahre häufiger Allergien an als ältere Menschen. Und bei Menschen der oberen Bildungsgruppe ist die Zahl derjenigen, die von Allergien betroffen sind, besonders hoch, vor allem bei Erwachsenen im mittleren Alter von 30 bis 64 Jahren (35% bis 36%). Zum Vergleich: In der unteren Bildungsgruppe waren es nur 26% bis 33%. Besonders häufig wurden allergische Symptome an Haut und Schleimhäuten, in den Atemwegen und am Darm angegeben. Allergien schränken die Lebensqualität oft erheblich ein. Wenngleich in der Umfrage keine gezielte Abfrage nach einzelnen allergischen Erkrankungen erfolgte, werde ein beachtliches Krankheitspotenzial deutlich, betont das RKI. Jeder positiven Antwort liege dabei ein Leidensdruck mit entsprechender medikamentöser Behandlung zumindest der Symptome zugrunde. Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Diagnostik und angemessene Versorgung für Allergiker von großer Bedeutung. Dies sei nicht nur für die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch unter volkswirtschaftlichen Gesichts- punkten wichtig“. Robert Koch-Institut, Ärzte Zeitung Veröffentlicht: 04.04.2017, 16:49 Uhr

Die Diagnostik einer Typ-I-Allergie (Allergie mit schnell auftretenden Beschwerden z.B. Heuschnupfen oder Asthma bronchiale, anaphylaktische Reaktionen):

  1. Anamnese (Vorgeschichte des Patienten)
  2. klinische Untersuchung
  3. Hauttestung
  4. in-vitro-Allergie-Diagnostik (Laboruntersuchungen)
  5. gegebenenfalls erhöhte NO-Konzentration in ausgeatmeter Luft
  6. Lungendiagnostik (Obstruktion?)

Die Diagnostik einer Typ-III-Allergie (exogen allergische Alveolitis – eine Entzündung der Lungenbläschen, z.B. Vogelhalterlunge – Taubenzüchter, Wellensittichzüchter, Farmerlunge, Befeuchterlunge, Holzerbeiterlunge, Malzarbeiterlunge, Bettfedernalveolitis):

  1. Anamnese
  2. klinische Untersuchung
  3. in-vitro-Allergie-Diagnostik (Präzipitine in Laboruntersuchungen)
  4. Lungenfunktion (Restriktion? und/oder Diffusionsstörung?)
  5. radiologische Diagnostik (Röntgen-Thorax/CT – Befund)
  6. gegebenenfalls weitere Untersuchungen wie eine Lungenspiegelung mit einer Lavage

Wesentliche Grundlage der Allergiediagnostik ist die Erhebung der Vorgeschichte des Patienten. Hinweise für eine allergische Erkrankung können zum Beispiel sein: Auftreten der Beschwerden bei Pollenflug, Beschwerden in bestimmten Jahreszeiten, nach Tierkontakten, Schimmelpilzbelastung, nach dem Essen bestimmter Nahrungsmittel, Beschwerden betont in spezieller Umgebung (Arbeitsplatz, innerhalb oder außerhalb der Wohnung, Besserung bei Milieuwechsel), „Milchschorf“ als Säugling, allergische Erkrankung in der Familie usw.

 Hauttests:
Prick-Test: Hier wird ein Tropfen des Allergen-Extraktes auf die Haut aufgetragen und mit einer Lanzette kurz angestochen. Das Ablesen des Tests erfolgt nach 20-30 Minuten. Typische Testextrakte sind Pollen (Gräser, Bäume, Kräuter), Tierhaare, Hausstaubmilben, Schimmelpilze und Nahrungsmittel. Seltener untersucht man auf Latex, Bienen- und Wespengift. Laboruntersuchungen ergänzen die Untersuchungsergebnisse.

 Spezielle allergologische Krankheitsbilder:

Nahrungsmittelallergien: Nahrungsmittelallergien treten zunehmend auf. Diagnostische Möglichkeiten bei Nahrungsmittelallergien: Anamnese, Nahrungsmittel-Symptom-Tagebuch, Laboruntersuchungen, Hauttests, eventuell gastrointestinale Provokation (in spezialisierten Kliniken durchführbar). Klinische Symptome bei Nahrungsmittelallergien können sein: Lippen-, Gaumen- und Rachenschwellungen, Ohrenschmerzen, Juckreiz, Schwindel, Erbrechen, Bauchschmerzen, Gastroenteritis mit Durchfällen, Nesselsucht, histamininduziertes Angioödem, Asthma bronchiale, allergischer Schnupfen, allergischer Schock, Gelenkbeschwerden, Verschlechterung von Hautekzemen, Kopfschmerzen.

Insektengiftallergien:  Bienen-/Wespenstiche verursachen meist eine sogenannte normale Lokalreaktion, seltener sind ausgeprägte (allergische) Lokalreaktionen (ca. 10 % der Erwachsenen) oder systemische anaphylaktische Reaktionen (0,4-0,8% der Kinder, bis zu 3 % der Erwachsenen). Klinisch stumme IgE-Sensibilisierungen gegen Bienen- oder Wespengifte, das heißt Nachweis von allergenspezifischen IgE-Werten im Blut ohne korrespondierende anaphylaktische Stichreaktionen, finden sich bei ca. 25% der Bevölkerung und bei ca. 50% der Kinder. In den ersten Monaten nach einem Stich sind bis zu 40% der gestochenen Erwachsenen sensibilisiert. Bei Imkern beträgt die Prävalenz von IgE-Sensibilisierungen gegen Bienengift 30-60%, diejenige allergischer Lokalreaktionen 15-40% und die anaphylaktischer Reaktionen 10-15% (Allergologie in Klinik und Praxis, Axel Trautmann, Jörg Kleine-Tebbe, August 2017). Lokalreaktion nach einem Insektenstich: Schmerzen, Schwellung und Rötung an der Stichstelle mit einem Durchmesser 10-20 cm sind Zeichen einer irritativ-toxischen normalen Reaktion nach Bienen- /Wespenstichen.

Ausgeprägte, allergische Lokalreaktionen sind Folge von IgE-vermittelten und zellulären allergischen Spätreaktionen und an der Stichstelle bestehen Schmerzen, Juckreiz, Schwellung und Gewebeverdickung im Durchmesser deutlich > 20 cm mit einer Größenzunahme über 1-3 Tage. Die Rückbildung erfolgt langsam im Verlauf von mehreren Tagen.

Systemische Symptome sind Symptome ohne direkten örtlichen Zusammenhang mit lokalen stich-induzierten Schwellungen, wie z.B. generalisierte Nesselsucht, generalisierte Schwellung der Schleimhäute, Luftnot, Husten, Engegefühle in der Brust, Giemen, Stridor, Blutdruckabfall, Verwirrtheit, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit etc. (Allergologie in Klinik und Praxis, Axel Trautmann, Jörg Kleine-Tebbe, August 2017). Symptome einer Giftintoxikation (nicht allergische toxische Wirkung des Giftes bei mehreren Stichen) sind bei >50 Bienen- oder Wespenstichen möglich: Hämolyse, akute Erkrankung des zentralen Nervensystem, Nieren- und Leberversagen. Insektenstiche gehören zu den häufigen Auslösern eines tödlichen anaphylaktischen Schocks. Wer unter einer Insektengiftallergie leidet, sollte immer ein "Notfallset" (Adrenalin, Steroide, Antihistaminika) und einen Allergiepass bei sich tragen. Die Erfolgsaussichten einer spezifischen Hyposensibilisierung sind gut.

Berufsbedingte Atemwegsallergien vom Soforttyp: Das allergische und das chemisch induzierte irritative berufsbedingte Asthma sind häufige Berufserkrankungen. Die weitaus häufigste Ursache dafür ist in ca. 80 % der Fälle eine Sensibilisierung gegen Mehlstaub. Mögliche Ursachen des Berufsasthmas:

  • Allergene tierischer Herkunft (Säugetiere, Vögel, Insekten),
  • Allergene pflanzlicher Herkunft (Mehle, Pollen, Latex, pflanzliche Enzyme, Proteasen, Amylasen),
  • Allergene chemischer Herkunft (Säureanhydride, Isozyanate, Antibiotikastäube, Platinsalze).

Latex-Allergie: Allergien auf Latex sind gar nicht so selten. Etwas 2 % der Gesamtbevölkerung leiden an einer Sensibilisierung gegen Natur-Latex. Der Anteil von Latexallergien bei Beschäftigten im Gesundheitswesen liegt zwischen 5 - 17%. Latex kommt jedoch auch in vielen Gegenständen des täglichen Bedarfs vor (z.B. Luftballons, Gummibänder, Kondome und Pessare, Luftmatratzen, Naturlatexmatratzen, Wärmflaschen, Haushaltshandschuhe usw.). Latex-Allergiker sollten stets einen Allergiepass mitführen.

SIT · Spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung, Allergenspezifische-Immuntherapie, Desensibilisierung)
Das Meiden der auslösenden Allergene stellt die effektivste therapeutische Maßnahme dar, leider ist das nicht immer möglich. Die medikamentöse Behandlung der akuten Symptome ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allergentherapie. Die spezifische Immuntherapie - "Hyposensibilisierung" versucht den Körper langsam an das Allergen zu gewöhnen. Es kommt zur einer Langzeitmodulation des Immunsystems und/oder Langzeitwirkung: anhaltende Wirkung auch nach der Beendigung der Immuntherapie. Diese Therapie dauert im Normalfall 3 – 5 Jahre (nach Erreichen der Zieldosis erhält der Patient alle 4 Wochen eine Spritze in den Oberarm).

Die Wirksamkeit der sublingualen (unter die Zunge) Immuntherapie (SLIT) bei Patienten mit allergischer Rhinitis ist heute gut belegt. Da die Mundschleimhaut kein Schockorgan ist, steht mit der SLIT auch eine sichere Therapieform zur Verfügung. Die sublinguale Behandlung zur spezifischen Hyposensibilisierung bei Patienten mit Allergien wird häufig alternativ zur subkutanen spezifischen Immuntherapie (Spritzen-Therapie) angewandt. Sie ist vor allem eine Option für Patienten, die Angst vor Nadelstichen haben. Auch das Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen wie anaphylaktische Reaktionen ist geringer. Bei der sublingualen Immuntherapie wird nach einem festgelegten, oft mehrjährigen Plan über einen definierten saisonalen Zeitraum bis zu mehrmals täglich ein individuell angezeigter Allergenextrakt unter die Zunge platziert. Zwei Minuten nach der Applikation wird der Extrakt geschluckt. Spezielle Dosierpumpen erleichtern die Applikation der immer gleichen Dosis. Vorteile: Applikation zu Hause, keine Nadelstiche, weniger Nebenwirkungen – besseres Sicherheitsprofil.

Die Entscheidung zur Durchführung einer spezifischen Hyposensibilisierung muss sehr sorgfältig getroffen werden und ist stets eine individuelle Entscheidung.